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NEUFASSUNG der GESUNDHEIT

TEIL 2 - NEUFASSUNG der GESUNDHEIT

(Strukturanalyse und Grundauslegung des GESUNDEN)


Da jeder Mensch auf der Suche nach seiner höchsten Möglichkeit ist, aber keiner diese an irgendwelchen Maßstäben ermessen kann, bedarf ein Mensch des anderen und ein Menschentum eines anderen, um durch dieses auf seine Selbstverkürzungen und Lebensverhärtungen aufmerksam gemacht zu werden.

Jeder Mensch leistet an jedem anderen, zu dem er ein näheres Verhältnis hat, HEBUNGSARBEIT - und dies nennen wir GESPRÄCH - als wechselseitiger Profilations-und Hebungsgang, durch den Teilnehmer auf eine „menschliche-re" Ebene gehoben werden."

( Heinrich Rombach )


INHALT:


1.) Etymologie von Gesundheit


2.) Dichotomie der Gesundheit


3.) Strukturanalyse

  • Gespräch
  • Weg und Wandel
  • konkreative Gestaltung („individuelle" Gesundheit)


4.) Gesundheit als relationale Größe


5.) Fazit




1) ETYMOLOGIE von "GESUND-HEIT"

  • mhd:"gesunt, westgerm.:gisunt - für „kräftig", „rege", „rüstig", „wohlbehalten", LEBENDIG" und „BEWEGLICH"…
  • Verweise auf die Dynamik der Gesundheit, auf das Prozessuale, das NIcht-Absolute und das Grundphänomenale  (gesund=lebendig)
  • …verwandt mit „geschwind" - „kräftig", „mächtig" und indogerm. :„sghuwent" und altir.:"ksument"

         für „mächtig", „mit Macht ausgestattet"

  • Verweise auf etymol. und sinngemäße Verwandtschaft zur Ermächtigung, auf etwas, das in den eigenen Händen und in eigener Verantwortung liegt…
  • gesund ist, wer sich selbst „mit Macht über sich ausstattet"




2) DICHOTOMIE DER GESUNDHEIT


Ebenso, wie nach Antonowsky ein Gesundheits-Krankheits-Kontinuum besteht, so existiert Gesundes in Krankem und Krankes in Gesundem.

Es gehört zum Wesensgefüge der Gesundheit, auch durch Erkrankung zu gehen, oder beizeiten Infekte immunolgisch durchzustehen, solch lebendige und einander bedingende und hervorbringende Prozesse zu durchlaufen.

„Krankheit" wäre demnach durchaus die dichotome Gegenüberstellung der Gesundheit - wenn dies als genuin-prozessualer Bestandteil eines dynamisierten Gesundheitsbegriffes gedacht und aufgefasst ist.

Ausgehend von einem lebendigen Da-Sein, welches sich immer schon in Wandel und Bewegung be-findet und vor-finden lässt, wäre der Zustand der STAGNATION am ehesten und tiefenfundiert das, was eintritt, wenn Gesundheit ausbleibt, sowie auch das, was Gesundheit ausbleiben lässt.

Überall dort, wo natürliche Prozesse stagnieren, sind dessen Träger nicht „krank", sondern, im eigentlichen Sinne:

„NICHT GESUND".

Wo sich Krankheit konstatieren lässt, da besteht die Möglichkeit von Genesung und Gesundung, da ist das „Kranke" ein wesenhaftes Moment, welches die Struktur GESUNDHEIT vereinheitlicht.

Im Falle oder im Zustand der Stagnation muss davon ausgegangen sein, dass diese - die gesunden(den)- Prozesse ausbleiben, dass VERFALL einsetzt, dass in weiterer Folge mit einer grundsätzlichen und endgültigen Degeneration zu rechnen ist.




3) STRUKTURANALYSE


Absicht und Versuch bestehen darin, GESUNDHEIT auf dessen innere Bedingtheit und die zuGRUNDEliegende, phänomenale ERMÖGLICHUNG hin zu analysieren, die Objektivitätsformen der lebenden, „höheren" Seinsverfassungen zu beleuchten und zu erhellen und in Zeit-gemäßheit herauszuarbeiten - aus der Tiefe der strukturellen Verfasstheit ( der GESUNDHEIT ) heraus.

Gesundheit betrifft all das, was lebt und zeichnet lebendiges Seiendes aus. Das, was „ausgezeichnet" ist, betrifft nicht alleine den Menschen, wird aber von diesem mit Auszeichnungen versehen. Insofern steht außer Frage, dass eine Ontologie der Gesundheit auch eine strukturelle Analyse von -menschlicher- Erfahrung, von Er-leben und von Wahrnehmung einbezieht und umschließt, an manchen Knotenpunkten geradezu WIRD.

Dort, wo sich Gesundheit phänomenal an die Regelcharakteristik des „Bewusstseins" bzw. der „Bewusstheit" bindet, wo sie also „transzendental" wird, da scheinen sich das Grundgerüst der Struktur MENSCH und das der GESUNDHEIT konstitutiv zu decken.

Jedes herausgearbeitete Moment des phänomenalen Wesensgefüge ist dann tatsächlich WESEN-tlich, nicht mehr weiter zurückführbar auf Tieferliegendes, wenn es selber eine letzte Bedingung der Ermöglichung darstellt, eine „innere Notwendigkeit"(Rombach), die die letzte, vorstellbare Dimension der Rückführbarkeit erreicht hat.

So sind Emergenz, Kohärenz und Responsivität, nur als Beispiel, aus Sicht der HYGIAGOGIK drei grundlegende „Schätze", derer sich die menschliche Verfasstheit hinsichtlich der Gesundheit „bedient" und auf die diese „subsummierbar" ist.

Dieses Gerüst der Dreiteilung ist Bestandteil des Aufbaus, der Gesamtkonstruktion das Phänomens - und wird dennoch im Einzelnen wiederum noch durch tiefere Notwendigkeiten strukturell bedingt und auf diese auslegbar.

Die Bedingtheiten, die Beschaffenheit und die Bezogenheit der „letzten", der fundamentalen Wesenselemente (der GESUNDHEIT ) aufzudecken, diese als Solche und als „nicht mehr weiter Rückzuführendes" herauszuarbeiten, soll also hiermit als Versuch unternommen und eingeleitet sein.

Die Tiefendimensionen sind insofern wesentlich fundamental, als sie die Eigenheiten aufweisen, sich gegen-und wechselseitig zu bedingen und zu ergänzen, sich hervorzubringen-und zu heben und aufeinander überzugreifen. Jedes steht für sich und ist dennoch - in struktureller Eigen-schaft - an das andere gebunden.

Der Versuch hat folgende Stringenz erkennbar gemacht:

  • a) Gesundheit ist GESPRÄCH
  • b) Gesundheit ist WEG und WANDEL
  • c) Gesundheit ist KONKREATIVE GESTALTUNG ( „individuelle" Gesundheit)


Desweiteren und daraufhin wird versucht

  • Gesundheit als RELATIONALE GRÖßE

zu verhandeln und zu beleuchten.



  • a) GESUNDHEIT IST GESPRÄCH


Mensch IST lebendiges Gefüge und Teil lebendiger Gefüge.

Was lebendig und was „GEFÜGE"(oder Struktur) ist, befindet und artikuliert sich in einem ständigen Austausch und vielstimmigen GESPRÄCH - und tut dies auch dann noch, wenn es das weder reflektiert, noch goutiert.

Das GESPRÄCH wollen oder nicht, ist keine Frage, die sich dem Lebendigen hinsichtlich des (Angesehen-und) ANGESPROCHENSEINS, des SPRECHENS und ANTWORTENS, tatsächlich stellt.

Was lebt, spricht und antwortet (siehe unten).

Die jeweilige und je-„meinige" Ausrichtung auf diese dialogische und geworfene (Aus-)Gesetztheit, die Stellungnahme oder die Intentionalisierung, dies lässt sich grundsätzlich und situativ entwerfen oder „justieren", muss vielmehr vom sich entwerfenden und setzenden ICH entschieden sein.

Wird sich auf VERSTÄNDIGUNG oder auf BELEHRUNG ausgerichtet, auf Austausch zwischen Kulturen oder auf Durchsetzung einer „Einheitskultur"(s.u.), auf bloße Toleranz bzw. neutral-itäres „sein-lassen", oder auf gegenseitige und wechselwirkende SCHÄTZUNG, ACHTUNG, RESPEKTIERUNG…


Aus dem KLIMAHAUS in Bremerhaven:

„ Bis zu ihrer Missionierung gehörten die YUPIK keiner festen Glaubensgemeinschaft an. Sie glaubten (und glauben selbst heute noch immer), dass die Natur, alle Lebewesen und sogar Gegenstände wie Steine eine Seele haben: YUA.

Deshalb bitten sie auch heute noch bei der Jagd ihre anvisierte Beute um Verständnis dafür, dass sie sterben muss, damit die YUPIK überleben."

(Beschreibung von Lebensraum-und Lebenswelt der YUPIK)

Der entfremdende Irrtum (der sich selbst nicht wissen kann), die abendländische Hybris und die Überheblichkeit (die ihren Standpunkt nicht erkennen kann, weil sie ihn nicht zu verlassen imstande ist), sind in den Aussagen …"SELBST heute NOCH…" und … „SOGAR GEGENSTÄNDE wie Steine…"

versteckt und desweiteren pseudo-modernistisch gekennzeichnet.

Es ist verwiesen auf die Annahme und MEIN-ung, dass sich dieser „Glaube" - der ja eigentlich ein perspektivisch-ursprüngliches WISSEN ist - durch die moderne, kausale Wissenschaft längst überholt und entmystifiziert haben sollte, müsste.

U.a. das ist gemeint, wenn oben von „(Durchsetzung von) Einheitskulturen" gesprochen ist.


Anstelle eines GESPRÄCHS der vielstimmigen Kulturen, die sich mit Achtung begegnen und wechselseitig schätzen (lernen), die sich vor gemeinsamen Horizonten aspektierend hervorheben und bereichern könn(t)en, tritt eine aufklärerische „Belehrung", die aus dem GESPRÄCH einen oberfläch-igen Monolog extrahiert und Verständigung zu monolateraler „Aufklärung" verzerrt.

Im Hinblick auf die Entscheidungen und in Bezugnahme auf die wesen-tliche Existenz als und in GESPRÄCH lässt sich situativ konstatieren, ob jeweils prozessuale Gesundheit oder stagnierender Verfall individuell -und wiederum situativ- waltet.

In solchen Zusammenhängen erscheinen Introversionen, Krisen, Verstimmtheiten und Dissonanzen jedweder Couleur als aporisch angelegte und einer inneren Dynamik zugehörige Bestandteile eines grundsätzlich dialogischen und kontinuierlichen Gesundheitsprozesses.

Es gehört zum genuinen Grundgerüst der Gesundheit, z.B. aus einem „Rückzug" wieder hervorzutreten, aus einer introjektiven Krisis wieder aufzutauchen und teilzuhaben, eine emotionale Depression durchzustehen und als Solche zu identifizieren, um daraufhin (emergente) Lernprozesse zu durchlaufen und Partizipation zu ermöglichen, die „Zonen der nächsten Entwicklung" dialogisch erkennbar werden zu lassen usw.

Es lassen sich für das LEBEN ALS GESPRÄCH, in nicht exklusiv abendländischer Tradition, multiperspektivische, wissenschaftliche oder philosophische Entsprechungen finden und herleiten.

(nur als Beispiele - Watzlawick: „man kann nicht NICHT kommunizieren"; Vygotskij: „Denken vollzieht sich erst im SPRECHEN"…)

Überall, wo LEBEN ist, ist auch Gespräch.

Wo Lebendiges sich (vor-)findet, lässt sich auch Gesundheit finden, als waltendes Grundphänomen.

Wo aber das Gespräch nicht angenommen oder gar intentional „abgebrochen" wird, wo das Suchen nicht aktiv angetrieben oder „das Lernen" nicht (fort-)gesetzt wird, da lauert wiederum die STAGNATION - bzw. ist (oder hat sich) diese schon ausgelegt.



  • b) GESUNDHEIT IST WEG UND WANDEL


Erkennen heisst Verändern.

Erkennen ist Ent-Faltung, dessen, was gerade noch war und jetzt - im Vorgang des Erkennens - schon (entfaltet und)

gewesen ist.

Jede menschliche „Erkenntnis" versetzt den Erkennenden unmittelbar in Bewegung, verwandelt die Auffassung und verändert den Standpunkt (indem und in dem dieser identifiziert und anhand dessen dieser -in direkt und im selben Vorgang erneut einsetzender Unterscheidung- mit sich identisch wird).

Alles, was wesenhaft lebendig ist, ist in Bewegung, in Wandel und immer schon AUF DEM WEG, (sich) suchend und gestaltend, schöpferisch und schaffend, ob bewusst oder nicht.

Aus den strukturellen Übergängen und aus der Einheitlichkeit gegensätzlicher und sich äquilibrierender Grundverfassungen heraus, entstehen immer wieder und immer neu Grundbewegungen, die fundamental die Daseins-Strukturen des Lebendigen überhaupt veranlassen und „verwesentlichen" - letztlich auch aus einem dynamischen Hervorgang des Gesunden aus dem Kranken und des Kranken aus dem Gesunden.

Wo dies fungiert, waltet und ineinandergreift, ist GENESE tätig, GENESUNG ausgestaltet, und ein grundsätzlicher Prozess der GESUNDHEIT „auf dem Weg".

Gesundheit ist kein Zustand, der irgendwie irgendwann absolut erreichbar ist oder wäre.

Es ist vielmehr und u.a. eine sich in Wandel und in Prozessen hebende, eigene Dimension der Situiertheit und der Auffassung von Wirklichkeit, sowie ein Moment im Wesensgefüge all dessen, was strukturellen Phänomenen innewohnt und deren lebendige Verfasstheit kennzeichnet, wie darüberhinaus selber ein Tiefenphänomen, auf welches menschliche Wesenselemente zurückzuführen sind und wodurch diese sich konkreativ finden (können).

Als in einem Prozess der Gesundheit befindlich sind individuelle, interpersonelle und soziale Erscheinungen dann aufzufassen, wenn und insofern diese sich selbst zu dynamisieren vermögen, sich auf Verstehen und Verständigen ausrichten, Handeln in gesellschaftlicher Bedeutsamkeit intendieren und sich konkreativ darum bemühen, die grundsätzliche Reflexivität und die situativen Reflexionen -immer wieder aufs Neue- zu bereinigen.

„Bewusstsein" und Bewusstheit sind dabei aber nicht die einzigen und nicht in jeder Hin-Sicht die „glaubwürdigsten" Dimensionen, an denen sich lebendige, strukturelle Phänomene heben, beleuchten und erhellen lassen.

Es ist insofern auch ein Vorgang der Entfremdung von fundamentalen, anthropologischen Strukturen, oder eben ein fahrlässiges Psychologisieren von Tiefendimensionen, wenn „das Dunkle", die Abgründe, das „Spüren", die Intuition oder das nicht (visuell) Sicht-oder nicht (mehr) Denk-und Sagbare, wenn also hermetische Phänomene, die nicht direkt an der Dimension des „Bewusstseins" Erhellung finden, in ein vermeintlich „Unterbewusstes" verlegt und insofern irrationalisiert (und evtl. infolge pathologisiert) werden.

Dunkelheit, Abgrund und Tiefe sind wesentlich, und wesenhaft dort Momente der Grundstruktur, wo deren Erfassung die zweidimensionale Verfasstheit der reinen Oberfläche und der verzerrten Abflachung durchbricht.

(Eine (endogene) „Depression" in eigentlicher Erscheinung muss so gesprochen auch nicht zwangsläufig und in jedem Fall eine „pathologische" Verfassung darstellen. Nur wem der Boden auch beizeiten zu brechen vermag, dem wird sich auch die Tiefe öffnen können.Dies soll in keinem Fall Vehemenz, Verzweiflung und Bedrohlichkeit von klinischer Depression verharmlosen.)

Es lässt sich demnach behaupten, dass, was sich in und aus aufrichtiger Auseinandersetzung mit ICH und WIR, mit Welt und Wirklichkeit hervorzubringen weiß, in natürlicher Dynamik zu bestehen, in prozessualer Bewegung zu existieren und in gesunder Selbstartikulation zu partizipieren vermag.



  • c) GESUNDHEIT IST KONKREATIVE GESTALTUNG („INDIVIDUELLE" GESUNDHEIT )


Individualität kann nur aus einer vielstimmigen Sozialität hervorgehoben sein, ebenso wie Sozialität im strukturellen Zusammenhang einer Universalität aufscheint.

Insofern werden Momente der „individuellen Gesundheit" vor dem Hintergrund von Sozialität und Kulturalität erhellt, beides artikuliert sich vor universalem Horizont.

Da ist keine vermeintlich nach außen isolierte oder aus natürlicher Eingebundenheit exkludierte, „reine" und nur an und für sich bestehende Individual-Existenz, deren Aspektierungen mehr oder weniger gesund erschienen.

Auch die Zellen eines Organismus sind nicht zunächst vorhanden und werden dann in diesen "eingebaut" oder als ein Solcher „zusammengebaut" - sie ENTSTEHEN stets nur IM GANZEN und ALS GANZES des Organismus, indem und in dem sie von Grund auf MOMENTE desselben sind - sprich: der Organismus baut "sich selber auf" - jedes einzelne Moment ist tragend in und im Zusammenhang einer grundlegenden Konstitution.

Strukturen „entstehen" nicht eigentlich, in einem linearen Sinne, sie gliedern (und bereichern) sich vielmehr durch eine differenzierende Aufbauleistung, die als Solche eine gegebene GANZHEIT ARTIKULIERT.

(Anm.: Die Differenzierung, die der Hygiagoge vornimmt, kann als AUFBAULEISTUNG im eigentlichen Sinne verstanden sein, insofern, dass die ursprüngliche Ganzheit -Mensch/Organismus- sich „nachträglich" gegliedert oder bereichert sieht, ja, überhaupt erst durch die Differenzierung sich zur Ganzheit artikulieren lässt.)


Die Arten und die Weisen, die Aspektierungen und die Erscheinungsformen, die hinsichtlich der Individualgestalten als mehr oder weniger „gesund" bezeichnet werden können, die weiterhin nicht einem reduktionistischen Irrtum erliegen, den Einzelnen aus seinen ursprünglichen und genuinen Eingebundenheiten und Verflechtungen „lösen" zu können, ihn sozusagen exklusiv über und außerhalb von Natur und Umwelt zu stellen, finden sich in Annäherung (z.B.) bei Auguste Comtes Proleptisch-reagierenden Organismus.

Dem Strukturgefüge des o.e. Organismus, der immer nur IM GANZEN und ALS GANZES sich artikuliert, fügt Comte eine Vermittlungstätigkeit hinzu, die als eine Art „Agent" zwischen Innen und Außen fungiert - „vorgreifend" hinsichtlich einer gelingenden Artikulation, die insofern proleptisch gestaltet und die stoffliche Konkreativität des Lebendigen „zu sich selbst kommen lässt".

Wo dies gelingt, lässt sich „Gesundheit" konstatieren und beobachten.

Dort aber, wo diese Umschläge ausbleiben, wo Prozesse nicht umbrechen, dort kann von „Stagnation" gesprochen sein.

Menschlich-individuelle Entsprechung findet sich beim Vorgang der Hygiogenese und überall dort, wo chronobiologische Zusammenhänge berücksichtigt und Chronophysiologie mitgedacht wird.

Anstelle eines konstitutiven und veremintlich homogenen "ICH-APPARATS", existiert „das ICH" immer nur als ein vielstimmiges Gewebe, das sich situativ unterschiedlich artikulieren und gestalten lässt. Auch das Angelegte an individuellem Charakter ist in einem ständigen GESPRÄCH und in Auseinandersetzung mit Brüchen, Widersprüchen, Spannungen und Dissonanzen, auf der Suche nach sich und der eigenen Überformung.

ICH ist kein objektiver, faktischer Befund, ICH kann auch nicht in Gegebenheit "gefunden" sein.

ICH ist immer eine relationale (s.u.) Selbstsetzung und besteht nur solange und insofern, als es sich selber setzt und leistet.

ICH ist das, was ICH zu sich selbst und DU zu anderen, zu von sich Unterschiedenem sagt, sofern es von diesem angesehen ist.

Gesundheit ist also auch SELBST-GESTALTUNG, im Sinne zu bereinigender REFLEXION, im Sinne einer grundsätzlichen Entwerfung des ICH (welches sich beizeiten aus den Verhärtungen nicht mehr gemäßer, „zusammenbrechender" ICH-Formen erneuern muss), anhand einer grundsätzlichen Bewusstheit über die Eingebundenheit in höhere und größere Kontexte.

Zugespitzt ließe sich sagen, dass die soziale und kulturelle Lebenswelt des Menschen für die Gesundheit jedes Einzelnen mit-verantwortlich zu machen ist, und umgekehrt.



  • 4.) GESUNDHEIT ALS RELATIONALE GRÖßE


Überall dort, wo menschliche Wahrnehmung verhandelt wird, sind Dinge nur in Relation zueinander auslegbar und in Bezug/in Beziehung zu anderen (Relationen) aufzufassen - nichts ist an sich GROß, KLEIN, STARK oder VIEL, sondern nur GRÖßER ALS, KLEIN IM VERHÄLTNIS ZU etc.

Entscheidend ist dabei die Bezugsgröße, das Relat.

Nur und explizit dort, wo ein vermeintlich ABSOLUTES gesetzt ist und gilt, da sind Dinge im Verhältnis zu ebendiesem ABSOLUT erscheinend, sie sind demnach „relativ".

GESUNDHEIT ist jedoch KEINE absolute Größe, kein ABSOLUT als Solches.

Wo Relativität gilt, statt Relationalität, werden Realitäten weniger vereinbart, sondern vielmehr reduziert:

Wenn ein Schwarz-und ein Weiss-Seher eine Realität zu vereinbaren haben, wird im Relativen ein Grau vereinbart sein. Das lässt die Möglichkeit von Schwarz und Weiss nicht aufscheinen, die Relationen werden vernachlässigt, zugunsten einer Art relativen „Pampe", die weder das Eine, noch das Andere akzentuieren oder geltend machen kann.


Relational, also ohne Bezug auf ein Absolut, würde die Vereinbarung lauten:

Da ist schwarz möglich, da ist weiss möglich, und da ist auch grau eine Möglichkeit.

Dein Schwarz kann mein Weiss bereichern und umgekehrt mein Weiss dein Schwarz hervorheben.

Wo aber vorschnell und relativ GRAU „vereinbart" wird, verschwinden die Potentiale SCHWARZ und WEISS als Möglichkeiten und als die Auffassung bereichernde Momente.

GRAU ist somit und eigentlich auch nicht „Vereinbarung", sondern schlichter Kompromiss, der eben als Solcher die Eigenheiten, die Eigen-tlichkeiten und je die Besonderheit der konkreten Lebenserfahrbarkeiten KOMPROMITTIERT.

Realität soll aber niemals ein schlichter Kompromiss sein, sondern aktive Bemühung um den Aufschluss der alternativen Wirklichkeits-Auffassungen, deren Akzeptanz und Achtung als Möglichkeit und deren Einbeziehung in das je Eigene, als Bereicherung und als das Meinhaftige überhaupt erst hervor-hebenden und kontrastierenden Horizont.

Wer Schwarz als Mögliches akzeptiert, verleugnet oder vernachlässigt nicht das eigene Weiss.

Vielmehr wird es als Bestehendes in Bestehendem etabliert, als relationale Größe überhaupt gesetzt, vor erweitertem Hintergrund gehoben und horizontal akzentuiert - letztlich als relationale Weise der reichen Wirklichkeits-Ausgestaltungen.

Nicht also, indem ein Kompromiss vor einem gesetzten Absolut „verhandelt" und „relativiert" wird, sondern indem Eigenes (sowohl SCHWARZ), und Anderes (als auch WEISS)  relational als Erfahrungsräume (ein)bezogen, bezüglich und beziehbar werden, ist die eigene Wirklichkeit situativ erschlossen, aufgeschlossen , realisiert und als Möglichkeit gehoben, erhellt und etabliert.

Voraussetzend ist dabei aber eine RELATIONALITÄT, die Erscheinungen nicht vor einem Absolut relativiert, sondern Verhältnisse situativ auslegt, verhandelt und kontrastiert, überall dort, wo Beziehung waltet und Bezogenheit greift, wo Bezug genommen und gegeben ist und indem Wirklichkeiten wechselseitig tragend Ausgestaltung finden.

Dies gilt auch im Falle des Grundphänomens GESUNDHEIT.

GESUNDHEIT kann nicht absolut gesetzt sein, kann kein "Messwert" sein, anhand dessen Menschen „relativ" gesund oder krank sind, weil dies die Vorhandenheit oder Existenz der absoluten Größe GESUNDHEIT bedingen würde, anhand derer wiederum erst Erscheinungen in ein relatives Verhältnis gesetzt sind.

Gesundheit ist insofern nicht „relativ", sondern grund-sätzlich RELATIONAL.

Die Relationalität der Gesundheit sagt aus…

  • dass „gesund" bezüglich verhandelt wird, unter Solchen, die Wirklichkeiten (mit-)teilen und Realitäten vereinbaren, die sich als „gesund" auffassen können, und die diese Ordnung, diese Bezogenheit untereinander setzen, indem sie ein WIR konstituieren, bzw. ein Solches finden, in dem und indem sie zu sich selbst ICH und zueinander DU sagen.


Das ist die letzte, tiefenstrukturierte Herleitungsinstanz für all das, was anhand dieses Grundphänomens über das Paradigmatische und über die geltenden Reduktionismen hinausweist (und auf den theoretischen und phänomenologischen Unterbau dessen verweist, was Hygiagogik ohnehin schon leistet, in konkreter und pragmatischer Hinsicht.).

In der täglichen Praxis erweist sich die leibliche RELATIONALITÄT als eine Art hermetisches Vehikel und als (ein) Schlüssel für die „Tiefe" und die „Zwischenräume" - des eigentlich Unsagbaren, Verschlossenen, des Verborgenen und nicht Sichtbaren. So ist zu beobachten, dass durch differenzierte Tiefengewebspflege der Zugang zu hermetischen Grunderfahrungen bereitgestellt oder geöffnet wird - das Verborgene oder Verschlossene wird einer „Er-schließung" zugänglich.

(mehr zur Hermetik der Gesundheit - Teil3)

Dies liest sich verkomplizierend, ist aber in seiner Eigentlichkeit eine grundsätzlich zu leistende Differentialinterpretation, um dem Phänomen (GESUNDHEIT) in dessen Tiefenstruktur begegnen und gerecht werden zu können, es nicht als reduziertes und patho- bzw. psychologisiertes Epiphänomen zu degradieren, und um langfristig und nachhaltig thematisch immanente Denkwerkzeuge bereitstellen zu können…

(…die auch deshalb noch nicht denk-und anwendbar waren, weil -auch in diesem Fall- der Irrtum und die Hybris walten, eine (zu) seiner Zeit gemäße, abendländische Theorie als zu Ende gedachte und universal gültig-geltende „Erkenntnis" aufzufassen. Die Deutungshoheit wird stets mitgeliefert, ist im Sende-Umfang enthalten…)

GESUNDHEIT ist also keine absolute Größe, sondern ist eine je mit Bedeutsamkeit anzureichernde, relationale Bemessbarkeit - von Gesundem an Gesundem und innerhalb lebend(ig)er Strukturen.



  • 5.) FAZIT


Gesundheit betrifft und umfasst alle Ebenen von LEBEN und Dimensionen von „Mensch-heit", insofern kann von einer Ontologie der Gesundheit gesprochen werden, überall dort, wo Dinge anthropologisch besprochen und aufgefasst sind.

Wirklich und ursprünglich GESUND, auf eine sich weder reduzierende, noch verfehlende Weise, können nicht nur Individualerscheinungen oder „Einzelne" sein, da Gesundheit stets auch Soziotope, Aktiotope, ja prinzipiell GEMEINSCHAFT betrifft und verhandelt - alle Personen, die Strukturen (ab-)bilden, sowie all das, was kon-kreativ lebt.

Insofern ist eine Ontologie der Gesundheit auch eine Anthropologie - und ist aufgebaut auf Ontologien von Personalität, Humanität, Kommunikation bzw Dialog, Intersubjektivität, Kollektivität…usw

Zum Wesen des verzerrten Oberflächenphänomens gehört die Blindheit für sich selbst.

Weder der eigene Standpunkt, noch die sich selbst blendende Verblendung sind jeweils in der Lage, sich zu erkennen, ohne sich zu bewegen oder zu verändern.

Der Blick auf phänomenale Grundstrukturen und Eigentlichkeiten, wie auch entschiedene und entscheidende Schritte zur Seite (den Stand-Punkt und die Perspektive betreffend), werden durch Ent-und Aufdeckung von Tiefendimensionen erst aus-gelegt und eingeleitet.

Diese können zu einer (Ab-)Lösung von verkrusteten Alltagshabitaten führen und die Schleier klärend abtragen, die das Grundphänomen verzerren, wenn es überrationalisierten, dogmatischen und monokausalen Trübungen ausgesetzt ist.

Weiterhin ist es sowohl denkbar, wie auch ein hohes -jedoch nicht utopisches- Ziel, die Gesellschaft und deren (gegenwärtige) „Träger" an einer Steigerung, Erhellung und Hebung des (hermetischen) Grundphänomens Gesundheit genesen und GESUNDEN zu lassen, insofern, dass Wirklichkeit, Welt und ICH ineinandergreifen und GESUNDHEIT aus seiner eigenen Geschichtlichkeit herausgearbeitet wird, um in zeitgemäßer Erscheinung den Prozess einer Art „Selbst-hebung" wenigstens denk-und vorstellbar zu machen.


Frei nach Rombach: „Philosophie bringt Wirklichkeit hervor. Entscheidend und erforderlich ist dabei aber der Schritt über das theoretische Selbstmissverständnis der Philosophie hinaus - die Philosophie wird real, nicht durch Anwendung auf die Wirklichkeit, sondern durch HEBUNG der Wirklichkeit aus ihrer eigenen Dynamik heraus, durch die das IM GRUNDE schon GESCHEHENDE durchschlägt…"


Es soll also um einen aktiven und pragmatischen MIT-VOLLZUG der Welt gehen, durch Aufdeckung der Verzerrtheit und Entfremdung, die Begriff und Phänomen in ihrer gegenwärtigen, verfallen(d)en Oberflächendimension erliegen, und durch Hervor-hebung einer genuin menschlichen und zeitgemäßen Auffassung von GESUNDHEIT, indem ein möglicher Weg (von Genesung und Gesundung) sich durch dessen Beschreibung, Einschlagung und Begehung selber auslegt.

Gesundheit ist GRUNDPHÄNOMEN UND hermetisches Phänomen. Die Erhellung, die Erschließung und die Einbeziehung des Verborgenen (von und der Gesundheit), der hermetischen Grunderfahrungen, soll -u.a.- in Teil 3 dieser Abhandlung versucht sein.

Dieser erscheint hier im April 2023. 

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